im
Raum
des
Wissens


Weg 5

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Gestalt vereinigt



Vereinigung wirkt der Zerstreuung entgegen. Aktivität strahlt im Prinzip diffus, ohne jede Festlegung; durch die Einwirkung von Wissen aber bekommt sie eine Richtung, strebt ein Ziel an, ergießt sich in eine Gestalt. In diesem Schnittpunkt treffen sich die Linien, geben ihre Verschiedenheit auf und verschmelzen zu Einem. Das wiederum Ausgangspunkt für strahlende Aktivität wird.

Vereinigung ist eine wahrhaft universelle Bewegung. Wir finden sie überall. Ohne sie könnten wir nichts finden, denn finden können wir nur, was irgendwie greifbar ist, was sich zumindest in diesem Akt als Ganzes zeigt. Und statt vom „Finden“ können wir vom „Erkennen“, „Wahrnehmen“ oder „Wissen“ reden. Immer brauchen wir etwas, das als ein Ganzes begriffen werden kann: eine Gestalt.

Diese Gestalt steht im Mittelpunkt des Geschehens: mit ihr kann etwas gemacht werden, oder sie ist selbst aktiv. Aktivität braucht solche ruhenden Knoten, braucht Objekte wie auch Subjekte, braucht Ziele, die sie ansteuert, und Quellen, aus denen sie entspringt.

Die Ganzheit und Einfachheit einer Gestalt ist unentbehrlich für unsere Orientierung in der Welt, sie gibt uns sicheren Halt und Geborgenheit. Aber auch Verständnis und Klarheit verdanken wir ihr. Alles fügt sich zusammen, alles macht Sinn, den wir begreifen.

Eine Gestalt ist das, was gewusst werden kann, Inhalt des Wissens, ein Element desselben, oder auch: ein Objekt im Raum des Wissens. Sie fasst die allgemeine Form eines Gegenstandes zusammen, aber genauso z.B. die eines Prozesses. Alles, was irgendwie Bestand hat, auf das Verlass ist, weil es gleich bleibt, und das deshalb zum Wissen gehört, ist eine Gestalt. Also etwa Naturgesetze und -konstanten – doch auch z.B. juristische Gesetze, selbst wenn sie nicht immer gültig bleiben, oder Programme, die nur ablaufen, wenn sie gestartet werden, und verschiedene Optionen bieten – einschließlich der Möglichkeit, den jeweiligen Ablauf zu wählen und in gewissem Rahmen zu ändern. Sie alle repräsentieren Wissen und können „Gestalt“ heißen. Selbst fixe Ideen, völlig aus der Luft gegriffen, scheinbar ohne jede Substanz, werden, wenn sie Gestalt angenommen haben, in ihrer Sphäre Wirkung entfalten.

Aber natürlich gibt es immer auch andere Sphären, in denen das, was in der einen als einheitliche einleuchtende Gestalt erscheint, gar nicht vorkommt. Oder in ganz anderer Form; oder unvollständig zusammengesetzt aus nicht wirklich passenden Teilen. Wenn es solche anderen Sphären nicht gäbe, könnte von „Vereinigung“ kaum gesprochen werden. Denn diese ist eine Art Übergang von jenen anderen in die Sphäre, die die Gestalt als Ganzes erscheinen lässt. Möglich macht das die gegenseitige Durchdringung und Überlagerung der verschiedenen Sphären.

Wegen des immer vorhandenen Neben- und Ineinanders unterschiedlicher Betrachtungsweisen und des Wechsels zwischen ihnen kann jeder Gestalt – bei aller davon nicht berührten Ganzheit und Einfachheit – eine spezifische Struktur zugeschrieben werden. Denn sie entsteht immer wieder neu durch Interaktion und Kommunikation verschiedener Elemente. Das erst lässt sie erscheinen und gibt ihr Bestand. Gestalt ist Struktur: eine geordnete Vereinigung ausgewählter Wechselwirkungen, also Aktivitäten. Nur wenn diese stattfinden, besteht die Gestalt. Und strahlt als Wissen in die Welt.

Das Einfache entsteht also aus Durchdringung, Verschmelzung und Interaktion Verschiedener. Nicht Zerlegung in Bestandteile führt zu einfachen Elementen – sondern Vereinigung.